TFOS DEWS II - Sexus, Gender und Hormone
David A. Sullivan, PhD1,, Eduardo M. Rocha, MD, PhD, Pasquale Aragona, MD, PhD, Janine A. Clayton, MD, Juan Ding, OD, PhD, Blanka Golebiowski, PhD, Ulrike Hampel, MD, Alison M. McDermott, PhD, Debra A. Schaumberg, ScD, OD, Sruthi Srinivasan, PhD, Piera Versura, BSD, Mark D.P. Willcox, PhD, DSc
German translation sponsored by Allergan
Eines der wichtigsten Besonderheiten des Trockenen Auges ist, dass es häufiger bei Frauen als bei Männern auftritt. Tatsächlich ist das weibliche Geschlecht ein signifikanter Risikofaktor für die Entwicklung des Trockenen Auges. Dass eine derartige geschlechtsbezogene Variation bei der Prävalenz einer Augenerkrankung oder einer anderen Augenfunktion besteht, ist jedoch nicht überraschend, da geschlechtsbezogene Unterschiede in nahezu jeder Zelle, in jedem Gewebe und jedem Organsystem des Körpers vorliegen. Tatsächlich wurden seit 1945 über 575.000 wissenschaftliche Berichte veröffentlicht, die den grundsätzlichen und/oder klinischen Einfluss des Geschlechts auf die Physiologie und Pathophysiologie des Menschen behandeln.
Der TFOS DEWS II-Bericht über Sexus, Gender und Hormone beschreibt zahlreiche geschlechtsbezogene Unterschiede, die im Auge identifiziert wurden. Viele dieser Unterschiede wurden auf den Einfluss von Sexualhormonen (z. B. Androgene und Östrogene), Hypothalamus-Hypophysen-Hormonen, Glukokortikoiden, Insulin, Insulin-Like Growth Factor-1 und Schilddrüsenhormonen zurückgeführt. Androgene z. B. sind sehr wichtig für die Regulation der okulären Oberfläche und der Adnexe. Sie scheinen viele der geschlechtsbezogenen Unterschiede in diesen Geweben zu vermitteln. Ein Androgenmangel wiederum prädisponiert für eine Tränendrüsen-Fehlfunktion, gilt als Risikofaktor für Meibom-Drüsen-Dysfunktion (Meibomian Gland Dysfunction = MGD) und ist mit der Entwicklung sowohl eines hyposekretorischen Trockenen Auges als auch eines evaporativen Trockenen Auges assoziiert. Im Gegensatz zu Androgenen ist die Rolle von Östrogenen an der Augenoberfläche weniger gut definiert, und die Auswirkungen scheinen geschlechter-, gewebe-, und dosisspezifisch zu sein.
Zudem können geschlechtsbezogene Unterschiede durch das Sexchromosomenkomplement entstehen, dies gilt auch für Unterschiede der Parent-of-Origin-Effekte, X-Chromosom-Gendosis (z. B. X-Inaktivierung) und Gene in der nicht-rekombinierenden Region des Y-Chromosoms, sowie durch geschlechterspezifische autosomale Faktoren und Epigenetik (z. B. MikroRNA, DNA-Methylierung und -Acetylierung und Histonmodifikationen).
Es ist zu beachten, dass das Wort „Sexus“ nicht grundlos verwendet wird. Zwar werden „Sexus“ und „Gender“ häufig synonym verwendet, sie haben jedoch unterschiedliche Bedeutungen. Wie 2001 in einem Bericht des Institute of Medicine [6] erwähnt, bezieht sich „Sexus“ (biologisches Geschlecht) auf die Klassifikation lebender Objekte, generell als männlich oder weiblich, gemäß deren Geschlechtsorganen und -funktionen, die ihnen durch das Chromosomenkomplement zugeordnet werden. „Gender“ (soziales Geschlecht) bezieht sich auf die Selbstdarstellung einer Person als Mann oder Frau, oder darauf, wie soziale Einrichtungen auf diese Person basierend auf der Geschlechtsdarstellung des Individuums reagieren. Das Geschlecht wurzelt in der Biologie, wird jedoch durch Umgebung und Erfahrungen geformt. Mit anderen Worten unterscheidet Sexus Männer und Frauen basierend auf ihren biologischen Merkmalen. Gender wiederum spiegelt sozial konstruierte Merkmale wie z. B. Verhaltensformen und Erwartungen im Zusammenhang damit, ein Mann und maskulin oder eine Frau und feminin zu sein, wider. Darüber hinaus ist Gender dynamisch, kontextbezogen und beschreibt ein Spektrum.
Faktisch beeinflussen sowohl Sexus als auch Gender Gesundheit und Krankheit sowie die Wahrnehmungen der Patienten bezüglich ihrer Gesundheit. Gender beeinflusst außerdem den Zugang von Personen zum Gesundheitssystem und deren Interaktionen mit diesem. Viele gesundheitliche Unterschiede sind mit Gender assoziiert. Unterschiede entstehen durch eine Reihe von Einflüssen, die biologisch, verhaltens-/wahrnehmungsbedingt, kulturell und sozial sind. Somit müssen sowohl sexuelle als auch gender betreffende Begriffe, die unterscheidbar, aber miteinander verwoben sind, berücksichtigt werden, da beide starke Auswirkungen auf die Gesundheit und auf gesundheitliche Unterschiede haben. Gender und das biologische Geschlecht beeinflussen das Risiko für ein Trockenes Auge, die Präsentation der Erkrankung, die Immunreaktionen, Schmerzen, Verhaltensmuster bei der Behandlungssuche, Nutzung von Dienstleistungen und eine Unzahl anderer Facetten der Augengesundheit.
Insgesamt spielen biologisches Geschlecht, Gender und Hormone eine Hauptrolle bei der Regulation der Augenoberfläche und der Gewebe der Adnexe und für den Unterschied der Prävalenz des Trockenen Auges zwischen Frauen und Männern.